Archiv
Kaminkehrer 2017
Der Meister und sein Lehrling
Montagmorgen, 9 Uhr: Michael Eiber steht in seiner schwarzen Arbeitskluft vor der Tür eines Einfamilienhauses. Er klingelt an der Wohnungstür. Ein älterer Herr macht ihm auf, begrüßt ihn freundlich und weist dem jungen Kaminkehrer aus Treffelstein den Weg auf seinen Dachboden. Schwer bepackt mit seinem Arbeitsgerät marschiert Eiber die Treppen hinauf. Oben angekommen öffnet er die gusseiserne Klappe zum Kamin. Er setzt den Stoßbesen ein, schiebt ihn einige Male nach oben, dann nach unten. Langsam löst sich der Ruß von der Kaminwand und rieselt nach unten. Mit einem Spiegel überzeugt sich Eiber davon, dass der Kamin sauber ist.
Nach wie vor besteht die Hauptaufgabe der Schornsteinfeger darin, Kamine und Öfen zu einigen, erklärt Eiber. Trotzdem habe sich das Berufsbild in den vergangenen Jahren extrem gewandelt. Inzwischen sind Schornsteinfeger Experten in Sachen Sicherheit, Umweltschutz und Energie. Sie reinigen und kontrollieren Anlagen, messen und dokumentieren Abgaswerte und beraten Kunden.
Eiber packt sein Arbeitsgerät zusammen. Dann geht’s hinunter in den Keller des Einfamilienwohnhauses. Auch dort macht er das Türchen zum Kamin auf. Er fegt den Ruß, der sich durchs Kehren gelöst hat, in seinen großen Eimer. Fertig.
Der 19-jhrige Treffelsteiner beherrscht sein Handwerk. Er ist der beste Schornsteinfeger- Geselle Ostbayerns. Das hat er beim Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks bewiesen, als er Kammersieger wurde. Daran durfte er teilnehmen, weil er seine Gesellenprüfung als Klassenbester mit 1,0 bestanden hatte. Mit dem Kammersieg qualifizierte er sich für den Landesentscheid, bei dem er ebenfalls hervorragend abschnitt.
Vor drei Jahren hat Eiber in Irlach bei Bezirkskaminkehrermeister Martin Plötz seine Ausbildung zum Schornsteinfeger begonnen. Seit 1994 ist Plötz für den Kehrbezirk Tiefenbach und somit rund 1800 Haushalte zuständig. Und ebenso lang bildet er Lehrlinge aus. Eiber ist sein „Vierter und Bester“, wie er sagt. „Michael beherrscht sein Handwerk und ist mit Leidenschaft dabei“, stellt der 61 anerkennend fest. Auf den Kammersieg seines ehemaligen Lehrlings ist er besonders stolz. „Das ist schon was Einmaliges“.
Seit September arbeitet Eiber im Kehrbezirk Oberviechtach, parallel dazu macht er seinen Ausbilderschein. Danach soll der Meistertitel folgen. Eiber wusste schon früh, dass er Kaminkehrer werden will. „Mein Opa hat mich draufgebracht“, erzählt er. Deshalb machte Eiber in der achten Klasse ein Berufspraktikum bei Martin Plötz. „Es hat mir von Anfang an gefallen“, sag der 19-jährige. Und Martin Plötz hat das Potenzial des Treffelsteiners erkannt. Er bot ihm einen Ausbildungsplatz an. „Ich hab‘ gleich gemerkt, dass Michael fleißig und lernbereit ist“, sagt Plötz der mittlerweile auf 47 Berufsjahre zurückblicken kann. Noch gut erinnert er sich an die Zeiten, als er in seiner Kluft aus Hirschleder (die hat einen Monatslohn gekostet) barfuß die Kamine hinaufsteigen und sie innen abkratzen und kehren musste. „das war anstrengend“.
Auch heute müsse man als Kaminkehrer körperlich fit sein. Zum Beispiel, wenn ein Kamin vom Dach aus gekehrt werden muss. Dann muss der „Kintlkierer“ übers Fenster oder über eine Leiter hinaus aufs Dach und über Trittstufen zum Kamin hinauf. Da ist Vorsicht geboten, denn eine Sicherung gibt es nicht. „Man sollte schwindelfrei sein“, sagt Eiber. Plötz nickte.
Eine Straße weiter müssen die beiden Ölheizungen eines Kunden überprüfen. Sie messen, ob Schadstoffe entweichen. Mithilfe eines Messgerätes können sie unter anderem Kohlenmonoxid-, Kohlendioxid und Rußausstoß bestimmt werden. „Passt alles“ sagt Plötz und trägt die Werte in sein Protokollbuch ein. Auch Dokumentation und „Schreibkram“ gehören dazu.
„Schornsteinfeger ist heute ein moderner und anspruchsvoller Beruf“, sagt der Kaminkehrermeister. Aus rußigen Gesellen von früher ist heute ein neutraler Berater und moderner Handwerker für Brandschutz, Betriebssicherheit, Umweltschutz und Energieeinsparung geworden. Schornsteinfeger müssen stets die aktuellen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien kennen. „Der Stoff ist umfangreich“, weiß auch Eiber. Im gefällt vor allem der technische Aspekt des traditionellen Handwerksberufes. Als Schornsteinfeger hat er mit rund ums Feuern, Heizen und Lüften zu tun. Dazu gehören das Messen, Erfassen und Analysieren verschiedener Daten. Das theoretische Fachwissen hat Eiber am Fortbildungszentrum in Mühlbach erhalten. „In der Berufsschule geht’s viel um Mathe, Physik, Chemie und Technik. Auch Gesetze und Verordnungen lernen gehört dazu“.
Die praktischen Grundlagen vermittelte ihm Plötz, der neben fachlicher Kompetenz viel Wert auf ein freundliches Auftreten legt. Der 61-jährige nimmt sich gerne Zeit, um mit den Leuten „ein bisserl zu ratschen“. Mit vielen seiner Kunden ist er per Du. Er kennt sie seit Jahren und „da gibt’s immer was zum Reden“. Die meisten öffneten die Tür mit dem Hinweis „Du weißt ja wo’s hingeht“.
Dieses Vertrauen weiß Plötz zu schätzen. Deswegen gilt auch die Devise: Es wird nicht weitergetratscht, auch wenn es da einiges zu erzählen gäbe. „Was wir schon alles gesehen haben…“, sagt Plötz, schmunzelte und schweigt. Berufsethos.
Und dann erzählen Eiber und Plötz von einem ganz besonderen Einsatzort: Die Räucherkammer einer Metzgerei muss gekehrt werden. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Es ist warm und riecht nach Geräuchertem. Sofort setzt sich der Geruch in den schwarzen Anzügen der Kaminkehrer fest. Mit Gasbrennern und Kratzhammer lösen die beiden die Rückstände an der Wand, kratzen und kehren das Ruß- Fettgemisch ab. Hände und Gesicht sind schwarz. Aber Eiber und Plötz macht das nichts aus, es gehört eben dazu. Sie lieben eben ihren Beruf.
Die Mischung aus traditionellem Handwerk, moderner Technik und Kontakt mit Menschen – das macht Schornsteinfeger für die beiden zum schönsten Beruf der Welt.